Lehrer aus Israel besucht das Lessing

Dienstag, 14. 12. 2021

Lessing-Gymnasium: Ein Lehrer aus Israel beurteilt die Corona-Situation in Mannheim und Deutschland - und den Schulalltag

 

Von  Johanna Dörsam

 

Mannheim. Wenn man in Corona-Zeiten einen Blick auf andere Länder wirft, wird Israel oftmals als Paradebeispiel hervorgehoben. Viele Bürgerinnen und Bürger haben bereits im Sommer ihre dritte Impfung erhalten. Auch in Deutschland haben Dreifachgeimpfte mittlerweile trotz steigender Fallzahlen deutlich weniger pandemiebedingte Einschränkungen, können sogar relativ problemlos einreisen. Yonathan Bar-On, der in der israelischen Hafen- und Mannheims Partnerstadt Haifa wohnt, ist einer derjenigen, der von diesen Regelungen profitiert.

Bar-On arbeitet in Haifa an einer Partnerschule des Mannheimer Lessing-Gymnasiums, dem Leo Baeck Education Center. Dort unterrichtet er Geschichte und Englisch, gibt Seminare zu den Themen Flucht und Menschenrechte. Dass Yonathan Bar-On nun als Lehrer eine Woche in der Quadratestadt verbringt, ist mehreren Zufällen zu verdanken. „Normalerweise kommen ja Schüler mit, aber das ging nun mal nicht.“

In Deutschland habe er in der Schule eine ganz andere Atmosphäre als in seiner Heimat wahrgenommen: „Alle sind viel höflicher, aber gleichzeitig auch etwas distanzierter. In Israel spricht man sich zum Beispiel immer mit dem Vornamen an“, lächelt er. Ein weiterer Unterschied: „Das Internet in Israel ist deutlich schneller und viel mehr läuft schon digital“, so seine Beobachtung. In den Klassen erzählt er aber auch über das israelische Alltagsleben und seine persönliche Geschichte.

 „Ich stamme aus einer evangelisch geprägten Familie in Holland und bin erst 1994 zum Judentum konvertiert“, erzählt Yonathan Bar-On. Nachdem er 1984 sein Abitur in Leerdam in den Niederlanden gemacht hatte, studierte er Hebräisch und Arabisch, für das Judentum interessiert hat er sich aber bereits mit zehn Jahren. Heute lebt er mit Frau und Kindern in Haifa.

Neben dem Einblick in den deutschen Schulalltag ist Bar-On begeistert von den Museen, die er in Mannheim besucht. „Ich war im Marchivum, im Technoseum und in der Ausstellung zu Tutanchamun, das waren mit die besten Museen, die ich jemals gesehen habe“, schwärmt er. Im Vergleich zu früheren Besuchen in Deutschland sei er ein wenig traurig gewesen, dass die jüdische Geschichte weniger präsent sei. „Ich bin aber sehr dankbar, dass es so viele Leute gibt, die sich für die jüdische Religion und die Geschichte interessieren“, betont er. „Daher ist ein solcher Austausch wie mit Mannheim so wichtig.“

„Es war eine tolle Woche hier“, findet der Lehrer. „Alle Kinder und Kollegen waren sehr nett und interessiert.“ Im Rahmen des Austauschs lernt Bar-On mehrere Klassenstufen kennen, eine siebte Klasse ist ihm allerdings besonders in Erinnerung geblieben. „Sie haben mit ihrer Lehrerin Anna-Maria Klingmann für mich und mit mir einen israelischen Tanz einstudiert, den habe ich 30 Jahre nicht mehr getanzt.“ Auf eine Sache freue er sich besonders: „Wir veranstalten ein virtuelles Weihnachtskonzert mit Liedern, die mein Vater arrangiert hat.“ Vier Orchester - vom Lessing-Gymnasium, aus Haifa, aus Leerdam und aus Bloomington im US-Bundesstaat Illinois - spielen gemeinsam.

„Was den Umgang mit Corona angeht, kann Deutschland von Israel noch einiges lernen - endlich etwas, was dort eindeutig besser ist“, schmunzelt er. Gerade die aufgeheizten Debatten rund um das Impfen kenne man in Israel nicht. „Es gibt auch Impfgegner und Querdenker, aber sie sind nicht so laut“, empfindet Bar-On. „In Israel wurden alle Ressourcen mobilisiert, an jeder Ecke gibt es Impf- und Testzentren, sogar das Militär wurde eingesetzt“, berichtet er. Eine andere Erklärung für das gute Krisenmanagement: „Wir sind Improvisation und leider auch Nothilfe gewöhnt“, glaubt Yonathan Bar-On.

Im Hebräischen gibt das Wort baltam, was so viel bedeute wie ungeplant. Durch Corona verstehen wir jetzt alle, was das heißt“, so Bar-On. Flexibel reagieren musste er auch selbst, denn dank der neuen Omikron-Variante und die damit einhergehenden Quarantänebestimmungen musste Yonathan Bar-On seinen Rückflug um einige Tage verschieben. Trotzdem: „Ich bin sehr froh, dass ich herkommen konnte und extrem dankbar für die große Gastfreundschaft.“