Weihnachtsbrief 2020/21

Dienstag, 22. 12. 2020

Liebe Schülerinnen und Schüler,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Eltern,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dem Bild eines Kapitells der Kathedrale von Autun in Burgund von 1220, das allgemein als „der Traum der Könige“ betitelt wird, und einer Liedzeile des Theologen, Journalisten und Schriftstellers Jochen Klepper grüße ich Sie herzlich im Advent 2020. Dies ist ein ganz besonderes Jahr, deshalb ist auch dieser Gruß besonders, grundsätzlicher und weniger auf einzelne Ereignisse in der Schule bezogen.

Jochen Klepper schrieb sein Lied am 18. Dezember 1937 in einer politisch bedrückenden Zeit, welche von Furcht und Unsicherheit bestimmt war: wie viele andere wurde auch Klepper während der Zeit des Nationalsozialismus wegen seiner jüdischen Ehefrau ausgegrenzt, drangsaliert und nahm sich schließlich am 11. Dezember 1942 zusammen mit seiner Frau und deren jüngerer Tochter das Leben. - In einer Zeit, in der Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in neuer Gestalt aufleben, ist es wichtig, diese historische Einordnung vorzunehmen, damit wir uns bewusst machen, dass das Einstimmen in die Weihnachtsfreude gerade nicht aus der Dauerbeleuchtung dekorierter Geschäfte kommt, sondern aus dem Dunkel, der Angst und der Pein heraus und aus der gewissen Hoffnung, dass mit dem Heraufziehen des neuen Morgens, den der Morgenstern anzeigt, Dunkel, Angst und Drangsal dem Licht weichen müssen.

Die Verse Kleppers lassen uns deshalb in diesen bedrückenden Wochen bewusst werden, dass die frohe Botschaft der Weihnacht auch in unserer dunklen Zeit gerade im Einfachen entdeckt werden kann. Wir spüren die Sehnsucht nach den wesentlichen Dingen des Lebens, und diese sind nicht sächlicher und materieller Natur, sondern es ist die Sehnsucht nach Begegnungen mit Menschen - in der Familie ebenso wie in unserer Schulgemeinschaft; es ist die Sehnsucht nach dem Ende der schmerzhaften Einschränkungen, der Hoffnungsschimmer der Impfung am Horizont und die Gewissheit, dass wir uns in der Pandemie nicht nur auf diese Erlösung von außen verlassen dürfen, sondern unseren je eigenen Beitrag leisten müssen, dass Abstand halten auch ein Zeichen von Miteinander, Rücksicht und Zuwendung sein kann.

Viel mehr als Schulen sind die Alten- und Pflegeheime von der Coronapandemie betroffen. Was es für deren Bewohner bedeutet, wenn wir uns richtig verhalten und uns ihnen in anderer und dennoch vertrauter Art zuwenden, konnten wir am benachbarten Pauline-Meier-Haus sehen. In der vergangenen Woche erreichte uns von dort ein Brief, mit welchem sich die Heimbewohner, Pfleger und Heimleitung über die zahlreichen schönen Geschichten bedanken, welche unsere Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Wochen für die Senioren geschrieben haben. Ich füge unseren Dank an alle Eltern hinzu, die in kürzester Zeit, den Briefen der Kinder Päckchen mit Weihnachtsplätzchen hinzugefügt haben. Die individuell gestalteten Erzählungen entstanden so, weil situationsbedingt die (Vor-)Lesepartnerschaft zwischen dem Lessing-Gymnasium und dem Pauline-Maier-Altenheim derzeit leider nicht durchführbar ist.

Natürlich lässt sich das alles unserem Sozialcurriculum, unserem Sprachförderprogramm und unserer Kooperation mit der Stadtbibliothek Mannheim zuordnen. Der andersartige Austausch mit den Bewohnern des Pauline-Maier-Heims ist aber vor allem ein deutliches Signal, dass wir unsere isolierten Nachbarn auch in dieser schwierigen Zeit nicht vergessen!

Damit komme ich zum Kapitell aus Autun: auch wenn die Szene als „Traum der Könige“ betitelt wird, geht es hier keineswegs um einen Traum, nicht einmal um eine Vision. Vielmehr zeigt der Engel den Sterngelehrten aus dem Orient mit unmissverständlicher Geste an, dass der helle Morgenstern schon am Himmel steht, dass es jetzt genug mit Schlafen und Träumen ist und es Zeit ist, sich zu erheben, sich aufzumachen und etwas zu unternehmen – einer der Sterngelehrten hat tatsächlich schon die Augen geöffnet.

Auch wir haben uns 2020 auf viele neue Wege machen müssen: zu digitalisiertem Unterricht, Hygienemaßnahmen oder Lernbrücken habe ich Ihnen und Euch viel geschrieben seit dem 16. März, manchmal vielleicht mehr als Sie /Ihr lesen wollten. Deshalb greife ich zum Ende nur 3 Beispiele heraus, wie in neuen Zeiten nur neue Wege zu den als richtig erkannten Zielen führen:

  • Da in der Pandemie gelebte Schulpartnerschaften und klassischer Schüleraustausch unmöglich sind, „besuchen“ wir die Schülerinnen und Schüler unserer Partnerschule in Haifa aktuell im Rahmen eines virtuellen Austauschprojektes der 10. Klasse in digitaler Form und stabilisieren so unsere Brücken nach Israel.

  • Dass Demokratie und unsere demokratische Ordnung keine Selbstverständlichkeit sind, müssen wir gerade heute und in jüngster Zeit leider immer wieder erleben. Wenn wir Zeiten wie die des Nationalsozialismus , der nicht nur Jochen Klepper und seine Familie, sondern Millionen in den Tod getrieben hat, nie wieder zulassen wollen, dürfen wir nicht abwartend zusehen, sondern uns mit unseren Schülerinnen und Schülern aktiv einsetzen. Ein schönes Zeichen ist es deshalb, dass ein Schüler unserer Kursstufe 2, Muaz Mohamed-Osman, einen Demokratie-Schülerwettbewerb auf Bundesebene gewann: Unter dem Motto „Setz Dich ein - Demokratie lebt durch uns" führte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gemeinsam mit seiner französischen Partner- organisation den Schülerwettbewerb durch, welchen Muaz mit seinem Beitrag gewann. Teile der Arbeit sind aus diesem aktuellen Anlass noch im Foyer unseres Lessing-Gymnasiums zu besichtigen.

  • Unter der Überschrift „Fenster im Advent“ stellen wir unserer Schulgemeinschaft und den Freunden unserer Schule erstmals eine Art digitalen Adventskalender auf die Homepage. Damit wollen wir — wo wir auf die realen Treffen verzichten — allen Besuchern jeden Tag bis zum 24. Dezember eine kleine Begegnung mit den vielfältigen Facetten des Lebens am Lessing-Gymnasium möglich machen. Wir wollen sie überraschen und ein wenig verzaubern, damit sie Kraft schöpfen zum Durchhalten aus den Vorräten an Schönem, was wir zusammengestellt haben. Das letzte Fenster am 24. Dezember hält eine besondere Überraschung bereit; sie hat etwas zu tun mit dem Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten, an dem sich jedes Jahr rund 600.000 Schülerinnen und Schüler aus den sechsten Schulklassen beteiligen und natürlich mit unserer Schulsiegerin Helin aus der Klasse 6a - viel Spaß!

Derzeit wird das Stahlgerüst rings um das Lessing-Gymnasium abgebaut, das seit Mitte 2019 unsere Schule verhüllt hat. Wir dürfen also gewissermaßen als ein besonderes Weihnachtsgeschenk unser Lessing-Gymnasium auspacken! Sehen wir die Sanierung der Fassade und die immer noch laufende Renovierung im Inneren als unser Zeichen an, dass hier ein neuer Morgen heraufzieht, zu dem wir aber auch 2021 etwas beitragen müssen. Wir wollen uns aufmachen und etwas unternehmen für den äußeren Rahmen des Lernens, aber auch für gute Vermittlung gymnasialer Bildung, die man zu Recht von uns erwartet.

Weil wir nicht wissen, wie der schulische Alltagsbetrieb im Januar 2021 weitergeht, bitte ich Sie und Euch, sich darüber nach dem 6.1.2021 auf unserer Homepage zu informieren.

Ich sende Ihnen und Euch allen zusammen mit dem gesamten Schulleitungsteam herzliche Grüße für ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes, vielleicht ein besseres Jahr 2021, bleiben Sie, bleibt alle behütet!

Ihr/Euer

Jürgen Layer

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Kapitell der Kathedrale von Autun in Burgund (1220), als „Traum der Könige“ betitelt